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Große Nachfrage nach Corona-Testmaterial

Um dem hohen Bedarf gerecht zu werden, wurden die Produktionskapazitäten insbesondere für die ELISA-Tests in den letzten Wochen um ein Vielfaches erhöht. © EUROIMMUN

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Interview: Große Nachfrage nach Corona-Testmaterial

„Testen, testen, testen", so lautet die Empfehlung der WHO, um valide Daten über die Verbreitung des Coronavirus zu erhalten. Während die Labore ihre Kapazitäten hochgefahren haben, wurde zwischenzeitlich das Testmaterial aufgrund der extrem hohen Nachfrage knapp. Über die Entwicklungsgeschichte, den aktuellen Stand von Produktion und Vertrieb der PCR- und ELISA-Tests, hat MTA – Das Portal mit dem Lübecker Labordiagnostikhersteller EUROIMMUN gesprochen.

Welche Tests bieten Sie an und wann haben Sie mit der Entwicklung begonnen?

Wie schon zuvor bei den Ausbrüchen mit dem SARS- und dem MERS-Coronavirus können wir, als eine der ersten Firmen in Europa, CE-gekennzeichnete Tests zum Nachweis von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 anbieten. Mit der Testentwicklung der Anti-SARS-CoV-2-ELISA (separater Nachweis von Antikörpern der Klasse IgA und IgG) haben wir wenige Tage nach Bekanntwerden der genetischen Sequenz des Virus im Januar dieses Jahres begonnen. Bereits Ende Februar standen diese für Forschungszwecke zur Verfügung. Am 25. März 2020 haben wir mit der Auslieferung der CE-gekennzeichneten ELISA für die Diagnostik von COVID-19 begonnen.

Vor wenigen Tagen wurde der Anti-SARS-CoV-2-ELISA (IgG) außerdem von der US-amerikanischen Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde FDA im Rahmen einer Emergency Use Authorization (EUA) für die Verwendung durch autorisierte Laboratorien zugelassen.

Seit dem 31. März 2020 ist zusätzlich ein CE-gekennzeichneter PCR-Test (EURORealTime SARS-CoV-2) zum Direktnachweis des Erregers verfügbar. Unser Produktionsschwerpunkt liegt bei den ELISA-, wobei auch die Produktion des PCR-Tests weiter hochgefahren wird. Weitere aktuelle Informationen zu unseren Tests sind auf unserer Webseite www.coronavirus-diagnostik.de zu finden.

Welchen Stellenwert haben die Antikörpertests?

Während die RT-PCR die Methode der Wahl für die Akutdiagnostik einer Infektion ist, stellt die Serologie eine hilfreiche Ergänzung zum direkten Virusnachweis dar. Damit hilft die Serologie diejenigen zu identifizieren, die einen Viruskontakt hatten, der wenigstens zwei Wochen zurückliegt. Die WHO vermutet für SARS-CoV-2 eine Inkubationszeit von ein bis 14 Tagen, in den meisten Fällen beträgt sie ca. fünf Tage. Dies ist die Zeitspanne, die zwischen dem Kontakt mit dem Virus und dem Einsetzen der ersten Symptome liegt. Auch wenn es derzeit noch an umfangreichen Studien mangelt, geht man davon aus, dass sich das Virus direkt nach Symptombeginn in Abstrichen der oberen Atemwege mittels RT-PCR nachweisen lässt.

Antikörper werden grundsätzlich bei Viruserkrankungen erst nach frühestens einer Woche, oft sogar erst nach zwei Wochen nach Einsetzen der Symptome gebildet und sind auch erst dann nachweisbar. Bei SARS-CoV-2 treten IgA-Antikörper gegen das im EUROIMMUN-ELISA verwendete Antigen ca. ab dem zehnten Tag auf, ihre Bestimmung kann beispielsweise der Überwachung der Immunantwort bei bestätigten COVID-19-Fällen dienen. Spezifische IgG-Antikörper lassen sich mit dem Anti-SARS-CoV-2-ELISA ca. ab Tag 14 nach Symptombeginn nachweisen.

Ein positives Testergebnis bestätigt einen vermuteten länger zurückliegenden Viruskontakt oder eine bereits durchgemachte Infektion. Inwiefern die in der Serologie nachgewiesenen Antikörper auch mit einer Immunität einhergehen, ist weiterhin Gegenstand der Forschung. Letztendlich muss für die Interpretation serologischer Ergebnisse auf jeden Fall immer das gesamte klinische Bild betrachtet werden, wie die Symptomatik oder die Ergebnisse weiterer Tests.

Mitarbeiter im Labor © EUROIMMUNBei der Produktion der Testsysteme arbeitet EUROIMMUN nur mit rekombinant hergestellten Proteinen des Virus. © EUROIMMUN

Die Testentwicklung erfolgte in sehr kurzer Zeit. Was waren und sind hier die besonderen Herausforderungen?

Bei der Entwicklung der Tests konnten unsere Entwickler auf Ihre Erfahrungen mit anderen Antikörpertests für Coronavirus-Infektionen zurückgreifen, wie SARS-CoV(-1) oder auch MERS-CoV. Eine Herausforderung bei der Validierung war die anfänglich schwierige Beschaffung des geeigneten Probenmaterials.

Eine Herausforderung bei der Produktion liegt in der Herstellung des von uns verwendeten Antigens. Dieses wird in einem aufwendigen und komplexen Verfahren in humanen Kulturzellen hergestellt, um die natürlichen posttranslationen Modifikationen des Polypeptids, wie sie für die Antigen-Antikörper-Erkennung wichtig sind, sicherzustellen.

Das Antigen, die S1-Domäne des viralen Spike-Proteins, ist vergleichsweise wenig evolutionär konserviert und daher weniger störanfällig für kreuzreagierende Antikörper. Zudem beinhaltet die S1-Domäne die sogenannte Receptor Binding Domain (RBD) in aktivierter Form. Diese vermittelt die Bindung des Virus an die Wirtszelle und ist in der Literatur inzwischen als mögliches Epitop für neutralisierende, d.h. Immunität vermittelnde Antikörper beschrieben. An der Antigenherstellung arbeiten wir nun mit der Fraunhofer EMB in Lübeck zusammen, die uns bei der Produktion im großen Maßstab unterstützt.

Was können Sie zur Sensitivität und zur Spezifität der von ihnen entwickelten ELISA-Tests sagen?

Je länger eine Infektion zurückliegt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Immunantwort eingesetzt hat und Antikörper gebildet wurden, wobei auch Fälle beschrieben sind, in denen die Antikörperproduktion erst nach vier bis sechs Wochen eingesetzt hat. Die Sensitivität eines Antikörpertests für Anti-SARS-CoV-2-Antikörper steigt also mit der Zeitspanne, die zwischen Symptombeginn und Probenentnahme vergangen ist.

Die Sensitivität des Anti-SARS-CoV-2-ELISA IgG liegt bei 75 Prozent (>10 – 20 Tage nach Einsetzen der Symptome) bzw. bei 93,8 Prozent (>20 Tage nach Einsetzen der Symptome). Die Spezifität beträgt 99,6 Prozent, ermittelt auf Grundlage einer sehr breiten Datenbasis. Die gute Qualität wurde bereits durch im Markt erhobene Leistungsdaten bestätigt. Zudem werden die Daten stetig mit neuen Ergebnissen, auch aus vielen externen Studien, aktualisiert.

Wie lange sind die Lieferzeiten, sowohl für PCR- als auch ELISA-Tests und rechnen Sie mit Materialengpässen?

Wir erleben derzeit, wie viele andere Unternehmen auch, eine große Nachfrage nach den Tests. Um dem hohen Bedarf gerecht zu werden, wurden die Produktionskapazitäten insbesondere für die ELISA in den letzten Wochen um ein Vielfaches erhöht. Aufgrund der hohen Fertigungstiefe im Hause EUROIMMUN kann ein Großteil der Ausgangsstoffe selbst produziert werden, so dass wir nicht mit signifikanten Materialengpässen rechnen.

Mitarbeiterin mit Pipette © EUROIMMUNEine Herausforderung bei der Produktion liegt in der Herstellung des von EUROIMMUN verwendeten Antigens. © EUROIMMUN

In welche Länder vertreiben Sie Ihre Tests?

Die Tests sind CE-gekennzeichnet und damit in der EU für die Diagnostik einsetzbar. Europa und Deutschland sind die Hauptabnehmer. Eine stark steigende Nachfrage haben wir aktuell auch aus Nord- und Südamerika, nicht zuletzt durch die EUA-Zulassung des Anti-SARS-CoV-2-ELISA (IgG) durch die FDA.

Bei EUROIMMUN wird aktuell unter Hochdruck gearbeitet, wie werden Ihre Mitarbeiter vor einer Ansteckung geschützt?

Bei der Produktion unserer Testsysteme arbeiten wir nur mit rekombinant hergestellten Proteinen des Virus. Diese sind nicht infektiös. Der generellen Infektionsgefahr begegnen wir, indem alle EUROIMMUN-Mitarbeiter angewiesen wurden, die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Vermeidung von Infektionen mit dem Coronavirus zu befolgen.

Die Kontakte der EUROIMMUN-Mitarbeiter wurden durch ein Verbot sämtlicher Dienstreisen (mit Ausnahme von Reisen, die für die Versorgung oder die Unterstützung unserer Kunden unerlässlich sind), durch die Absage aller Veranstaltungen (z.B. Schulungen, Konferenzen, Kongresse…) und das Durchführen von Videokonferenzen, statt sonst üblicher Präsenz-Besprechungen auf ein Minimum reduziert. Zudem arbeiten alle Mitarbeiter im Homeoffice, deren Aufgabenspektrum dies erlaubt. Alle relevanten Abteilungen wurden in Teams unterteilt, die – wann immer möglich – zeitlich und räumlich voneinander getrennt arbeiten. Dadurch minimieren wir das Ansteckungsrisiko und bleiben im Falle einer Infektion in einem der Teams handlungsfähig.

Das Interview für MTA – Das Portal führte Anne Bilke mit Dr. Johanna Fraune, Abteilungsleiterin Marketing EUROIMMUN.

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