Biobanken sind populationsbasierte oder krankheitsspezifische Sammlungen biologischen Materials mit Hintergrundinformationen der Spender. Sie stehen für Diagnose, Therapie und Forschung bereit und sollen als Forschungsinfrastruktur Proben in bestmöglicher Qualität enthalten. Beim 4. Nationalen Biobanken-Symposium Ende 2015 in Berlin referierte Dr. Kathrin Schlüter über die Auswirkung präanalytischer Variablen auf Blutproben und was sich von der Routine-Labormedizin lernen lässt.
Frau Schlüter, welche Herausforderungen gibt es für die Blutprobenmessung und deren Qualität?
Dr. Kathrin Schlüter: Die entscheidende Herausforderung stellen die Vorgänge vor der eigentlichen Analyse der Blutprobe dar: die „präanalytische Phase“. Heute sind die Messmethoden weit entwickelt; sie weisen einen hohen Grad an Standardisierung auf und es gibt ein System von Qualitätskontrollen. Die Fehlerhäufigkeit wurde über die letzten Jahrzehnte kontinuierlich gesenkt. Dadurch haben jedoch die Fehler, die in der schwer kontrollierbaren präanalytischen Phase geschehen, an Bedeutung gewonnen.
Aus der Routine-Analytik in medizinischen Laboratorien steht eine große Basis an Studien zur Verfügung, die sich mit Fehlerhäufigkeiten und -quellen beschäftigen. Oft ist den Personen, die an der präanalytischen Phase – der Blutentnahme oder dem Probentransport – beteiligt sind, nicht bewusst, wie sehr ihr Handeln die Qualität der Proben beeinträchtigen kann.
Wie wirken sich Fehler in der Präanalytik aus?
Dr. Schlüter: Diese Fragestellung füllt ganze Bücher. Tatsächlich beginnt die Präanalytik schon vor der korrekten Identifikation der Person, die für die Blutabnahme vorgesehen ist. Besonders schwerwiegend ist es, wenn die Probe einer falschen Person mit anderen Eigenschaften und Vorerkrankungen zugeordnet wird. Ein weiterer Fehler passiert bei zu langem Venenstau während der Abnahme. In diesem Fall verschieben sich die Laborwerte. Die Folge: Proteine und Zellzahlen können bis zu zehn Prozent falsch erhöht sein.
Andererseits ist es möglich, dass die Probenqualität sogar nach der Blutentnahme beeinflusst wird. Dies geschieht, wenn die Röhrchen nicht gemischt werden und dadurch die Additive nicht wirken können. Transportdauer, Lagerung und Temperatur haben einen entscheidenden Einfluss auf die Probe – insbesondere, wenn die Röhrchen keine stabilisierenden Zusätze enthalten. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Auswirkungen präanalytischer Fehler für jeden Analyten unterscheiden. Für den einen ist eine Lagerung über 24 Stunden bei Raumtemperatur im Vollblut kein Problem, der andere verändert sich schon nach Minuten.
Worauf ist zu achten, um eine gleichmäßig gute Qualität der Proben zu erreichen?
Dr. Schlüter: Eine detaillierte Vorschrift zur Entnahme der Proben für die Standardisierung und Vergleichbarkeit der präanalytischen Bedingungen halte ich für sehr wichtig. Aber je komplizierter und detaillierter eine Standardarbeitsanweisung (SOP, Anm. d. Red.) ist, desto höher ist das Risiko, dass sie nicht befolgt wird.
Oft lassen sich Verantwortliche zu der Annahme verleiten, bereits das Vorhandensein einer SOP sei ein Garant für eine korrekte Anwendung – doch das darf man leider nicht voraussetzen. Schulungen sind sehr wichtig, die Konsequenzen einer Nicht-Befolgung sollten für die Teilnehmer greifbar werden. Es sollte allerdings berücksichtigt werden, dass es in Kliniken unter Umständen gute Gründe für ein Abweichen von SOPs gibt.
Welche Kriterien gelten für spezielle Methoden?
Dr. Schlüter: Es gibt Spezialfelder, in denen bestimmte Blutentnahmeröhrchen die Qualität der Proben und die Ansprüche an die Logistik entscheidend erleichtern können. Ich erläutere Ihnen die Herausforderungen anhand der Isolation von bestimmten Blutzellen, der RNA Stabilisierung und des Plasmaproteoms.
Die Isolierung von PBMCs („Peripheral Blood Mononuclear Cells“, Anm. d. Red.), den Monozyten und Lymphozyten, geschieht über einen Dichtegradienten. Bei diesem anspruchsvollen Prozess mit vielen Fallstricken überführt man das Blut in ein separates Röhrchen mit Dichtegradientenflüssigkeit und zentrifugiert anschließend ohne Bremse.
Das ist eine ziemliche Geduldsprobe. Bei der Entnahme des Blutes aus der Zentrifuge darf man auf keinen Fall den Gradienten zerstören. Dies kann passieren, wenn das Röhrchen irgendwo anstößt, dann beginnt der gesamte Prozess von vorn.
Um diese Fehlerquelle zu umgehen, gibt es BD CPT Röhrchen, die bereits einen Dichtegradienten und ein passendes Gel enthalten. In diesem Fall muss man das Blut nicht umfüllen, sondern darf es direkt in die Zentrifuge stellen. Da sich die Gelbarriere fest zwischen die PBMCs und die anderen Zellen setzt, kann die isolierte Zellfraktion nicht mehr mit den abgetrennten Zellen vermischt werden.
Und bei der RNA-Stabilisierung?
Dr. Schlüter: Bei der RNA-Stabilisierung stehen die Forscher vor einer besonderen Herausforderung. Schon während der Blutabnahme starten zwei gegenläufige Prozesse: Einerseits wird RNA abgebaut – mit zunehmender Zeit immer mehr durch lysierende Zellen –, andererseits reagieren die lebenden Zellen auf die veränderte Umgebung mit der Induktion von Genen. So treten zusätzliche RNA-Sequenzen vermehrt auf.
Um den ursprünglichen in-vivo-Zustand festzuhalten, nutzt man "PAXgene" RNA-Röhrchen. Damit werden die Zellen im Moment der Blutentnahme lysiert und die RNA stabilisiert. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, die Wahl des optimalen Blutentnahmeröhrchens an die geplanten Analysen anzupassen, denn die Zellen selbst kann man in diesen RNA Röhrchen nicht mehr analysieren. Besonders anspruchsvoll ist die Untersuchung des Plasmaproteoms. Die Veränderung der Zusammensetzung des Proteoms beginnt gleich nach der Blutentnahme.
Um die Probe im ursprünglichen Zustand zu konservieren, verwendet man eine Art von Röhrchen (BD P100, Anm. d. Red.), die das Proteom über einen Mix aus Protease-Inhibitoren stabilisieren. Der mechanische Separator darin hilft, die Zellen so vollständig wie möglich vom Plasma abzutrennen, ohne dass Geleffekte wie die Adsorption hydrophober Hormone oder Proteine auftreten. Der Separator verhindert die Beeinträchtigung der Probenqualität durch intrazelluläre Proteine lysierender Zellen.
Welches Fazit ziehen Sie für Biobanken, gibt es künftige Änderungen?
Dr. Schlüter: Die Biobank-Verantwortlichen befinden sich auf einem guten Weg, der Präanalytik angemessene Aufmerksamkeit zu schenken. Zunächst habe ich den Eindruck, dass oft der Schwerpunkt der Überlegungen auf den Lagerungsbedingungen liegt. Nun wird es meiner Meinung nach wichtig sein, die gesamte präanalytische Phase mehr zu betonen und auch die Entnahmebedingungen weiter in den Fokus zu rücken.
Das Gespräch für MTA – Das Portal führte Mirjam Bauer.