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Darmbakterien als Auslöser im Verdacht

Autoimmunerkrankungen sind in der Regel genetisch bedingt oder werden durch äußere Einflüsse ausgelöst. © ChrisChrisW / iStock / Thinkstock Photos

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Autoimmunreaktionen: Darmbakterien als Auslöser im Verdacht

Bakterien, die über den Darm in die Leber eindringen, könnten an der Entwicklung einer krankhaften Abwehrreaktion des Immunsystems gegen körpereigene Gewebe beteiligt sein. Ein Auslöser der entzündlich-rheumatischen Krankheit „systemischer Lupus erythematodes (SLE)“ etwa könnten Darmbakterien sein, die körpereigenen Strukturen ähneln. Für die Forschung an diesen Vorgängen, zeichnet die Stiftung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) in diesem Jahr Dr. med. Martin Kriegel mit dem Rudolf-Schoen-Preis aus.

Beim systemischen Lupus erythematodes greift das Immunsystem Gewebe und Organe im eigenen Körper an und ruft eine Entzündungsreaktion hervor. Ins Visier dieser fehlgeleiteten Abwehr geraten vor allem die Gelenke, die Niere und die Haut. Betroffen sind meist Frauen im gebärfähigen Alter. Sie leiden unter rheumaartigen Schmerzen, oft mit Fieber verbunden.

Im Gesicht kommt es zu der für die Krankheit typischen schmetterlingsförmigen Rötung, auf dem Kopf zu Haarausfall, im Mund zu schmerzhaften Geschwüren. Angegriffen werden aber auch lebenswichtige Organe wie das Herz. Früher endete die Erkrankung oft tödlich. Heute leben die meisten Patienten dank Medikamenten, die die Angriffslust des Immunsystems dämpfen, einen weitgehend normalen Alltag.

Entstehung von Autoantikörpern

Einer der für SLE typischen Antikörper sind Autoantikörper, die sich gegen das Antigen „Ro60“ richten, Ro60 ist im Prinzip eine harmlose Zellstruktur im Körper. Weshalb diese Autoantikörper entstehen, ist nicht bekannt. Die Forschungsarbeiten von Martin Kriegel deuten überraschenderweise auf eine Beteiligung von Haut- und Darmbakterien hin. Der Anlass für die Immunreaktion ist vermutlich eine Verwechslung: Die Antikörper, mit denen das Immunsystem die Organe angreift, sind eigentlich gegen das Eiweiß Ro60 gerichtet, das bei einigen Bakterien im Darm, aber auch im Mund und auf der Haut vorkommt.

Wie Kriegel in einem Beitrag beschreibt, gleicht diese bakterielle Zielstruktur dem Antigen „Ro60“, das auch in den meisten menschlichen Zellen vorkommt und von den Antikörpern angegriffen wird. Im letzten Jahr konnte Kriegel zudem zeigen, dass ein in der Regel harmloser Darmbewohner, genannt Enterococcus gallinarum, bei anfälligen Menschen in die Leber eindringt. Dort könnten also Immunreaktionen ihren Anfang nehmen, um schließlich den gesamten Körper zu erfassen.

Bei Mäusen konnte Kriegel den Ausbruch einer SLE-artigen Erkrankung durch einen Impfstoff gegen dieses Bakterium verhindern. „Ob Impfungen oder andere gezielte Behandlungsansätze gegen Darmmikroben in der Zukunft neue Therapiemöglichkeiten für Patienten mit Rheuma darstellen, muss noch intensiv untersucht werden, könnte aber aufgrund unserer Ergebnisse vorstellbar sein“ sagt Kriegel.

Ernährungstherapie als möglicher Ansatz

Aktuell untersucht Kriegel, ob eine Ernährungstherapie den Ausbruch der Erkrankung verhindern könnte. Auffällig ist, dass die Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten in den westlichen Ländern mit einer starken Zunahme der SLE- und anderer Autoimmunerkrankungen einhergehen. Ein Mangel an Ballaststoffen könnte dazu geführt haben, dass harmlose Bakterien sich so stark vermehren, dass sie zu „Pathobionten“ werden.

Ein solcher „Pathobiont“ könnte Lactobacillus reuteri sein, der auch im Darm von einigen Patienten mit SLE vermehrt vorkommt. In einer neuen Publikation zeigt Kriegel, dass bei Mäusen eine Diät mit einer Art von Ballaststoffen verhindern kann, dass diese Bakterien durch die Darmwand dringen und die Immunreaktion verstärken, die dann zum SLE führt. Ob eine Ernährungsumstellung auch beim Menschen wirksam wäre, wurde bisher noch nicht untersucht.

Quelle: Idw – Informationsdienst Wissenschaft


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