Das durch bodenlebende Pilze übertragene Virus ist weltweit für bis zu 80 Prozent der Ertragsverluste beim Zuckerrübenanbau verantwortlich. Rizomania lässt sich nicht mit herkömmlichen Schutzmethoden, zum Beispiel durch Pflanzenschutzmittel, bekämpfen. Eine seit Jahrzehnten eingesetzte Strategie gegen die dadurch verursachten Ertragseinbußen sind sogenannte Resistenzzüchtungen der Nutzpflanzen: In der Landwirtschaft kommen aktuell vor allem Zuckerrübensorten zum Einsatz, in die eine Resistenz gegenüber Rizomania gezüchtet wurde.
Dem Krankheitserreger gelingt es aber in den letzten Jahren immer öfter, den in diesen Rüben vorhandenen Resistenzmechanismus zu überwinden. Wissenschaftlern vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gelang es nun gemeinsam mit Forschenden der Universität Bielefeld und weiteren internationalen Experten, ein in Wildpopulationen der Zuckerrübe vorkommendes Rizomania-Resistenzgen zu identifizieren, das für eine alternative Resistenzbildung verantwortlich ist. Die neu erlangte Kenntnis ihres genetischen Ursprungs macht diese zweite Resistenz nun gezielt für die Pflanzenzüchtung nutzbar.
Identifizierung des verantwortlichen Gens
Die zweite Resistenz gegen das Virus war bereits bekannt und ist auch in manchen bestehenden Rübensorten vorhanden. Daher konnte auch beobachtet werden, dass das Virus diese zweite Art der Resistenz bisher nicht überwinden konnte. Die Rübensorten, die diesen alternativen Schutz aufweisen, bringen allerdings in der Regel weniger Ertrag als die gängigen Sorten. Daher werden sie in der Landwirtschaft kaum genutzt. Bislang unbekannt war allerdings, welches Gen den zweiten Resistenzmechanismus steuert.
Die Identifizierung des verantwortlichen Gens erlaubt es nun, die zweite Resistenz gezielt für die Sortenzüchtung zu nutzen. Für die Genidentifizierung nutzten die Forschenden nicht wie sonst üblich im Labor gezüchtete, künstliche Populationen der Rübe. Stattdessen widmeten sie sich dem Genom, also den gesamten genetischen Informationen, einer in Dänemark vorkommenden Wildpopulation der Zuckerrübe. Ihre Unempfindlichkeit gegenüber Rizomania war den Forschenden bereits bekannt. Sie konzentrierten sich auf ein spezielles Wildrübenvorkommen, das in der Küstenregion um Kalundborg auf der dänischen Insel Seeland vorkommt.
„Interessanterweise haben wir festgestellt, dass resistente und anfällige Wildrüben dort auf einer Strecke von 15 Kilometern nebeneinander vorkommen", sagt Dr. Gina Capistrano-Gossmann vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der CAU. „Resistente Pflanzen haben dort also keinen Vorteil gegenüber anfälligen Pflanzen, da der Boden nicht mit dem Rizomania-Virus infiziert ist", erklärt Capistrano-Gossmann, die Erstautorin der Studie.
Resistente und anfällige Jungpflanzen
Um die genetische Grundlage der Resistenzbildung in diesen Wildrüben zu entschlüsseln, setzte das Forschungsteam einen innovativen Ansatz zur Gewinnung genetischer Ressourcen aus natürlichen Wildpflanzenpopulationen ein. „Durch die Kombination von Sequenzvergleichen von wenigen resistenten und anfälligen Wildrüben mit einer Assoziationsanalyse in der gesamten Wildrübenpopulation konnte die Lage des bislang unbekannten Resistenz-Gens im Genom eingegrenzt werden", sagt Professor Bernd Weisshaar von der Universität Bielefeld, der die bioinformatische Auswertung der Studie leitete.
Die Kenntnis der Gen-Sequenz, die für die Resistenzbildung verantwortlich ist, erlaubt es nun direkt zwischen resistenten und anfälligen Jungpflanzen zu unterscheiden. Außerdem ist es möglich, die von dieser Sequenz kontrollierte Resistenzreaktion der Zuckerrüben auf molekularer Ebene zu untersuchen. Die neuen Erkenntnisse der Wissenschaftler liefern eine Basis für weitere Forschungsarbeiten und ebenso für die praktische Nutzung in der Zuckerrübenzüchtung.
In Zukunft könnten der Landwirtschaft damit Rübensorten zur Verfügung stehen, die zuverlässig unempfindlich gegenüber Rizomania sind. Der Ursprung dieser Resistenz in den Wildpflanzen unterstreicht nicht zuletzt, welches Potenzial in der Bewahrung der natürlichen Biodiversität und ihres genetischen Pools steckt. Dieses bleibe nur durch den Schutz der Wildpflanzenvorkommen nutzbar, die es also zum Beispiel in Schutzgebieten zu erhalten gelte, resümieren die Forschenden.
Quelle: Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU)
Originalpublikation: Friedrich Kopisch-Obuch et al.; Crop wild relative populations of Beta vulgaris allow direct mapping of agronomically important genes; Nature Communications, 2017; DOI: 10.1038/NCOMMS15708