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Neue Erkenntnisse über Entstehung von Autoimmunkrankheiten

Abfallprodukte wie DNA-Reste können durch eine erbliche Störung das Immunsystem aktivieren und somit Autoimmunerkrankungen auslösen. © Dario Lo Presti / iStock / Thinkstock

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Zellstoffwechsel: Neue Erkenntnisse über Entstehung von Autoimmunkrankheiten

Mit der Erforschung seltener Erkrankungen des angeborenen Immunsystems haben Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus (TU Dresden) neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie die Zelle verhindert, dass Abfallprodukte aus dem Zellstoffwechsel das Immunsystem fälschlicherweise aktivieren und auf diese Weise Autoimmunkrankheiten hervorrufen können. Im Mittelpunkt steht dabei ein Enzym, das kurze DNA-Fragmente abbaut, die bei DNA-Reparaturvorgängen im Zellkern als Abfallprodukte entstehen.

Wie das Team um Frau Prof. Lee-Kirsch aus der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Dresden nun zeigen konnte, hat dies zur Folge, dass die Zelle diese körpereigenen DNA-Fragmente fälschlicherweise als körperfremde DNA von Viren wahrnimmt und eine antivirale Immunantwort auslöst.

Unser im Zellkern befindliches Erbgut besteht aus DNA und enthält die Baupläne für alle Eiweißmoleküle, aus denen sich der Organismus zusammensetzt. Zellstress und Umwelteinflüsse wie zum Beispiel UV-Licht verursachen immer wieder Schäden in unserer DNA, die durch DNA-Reparaturmechanismen umgehend repariert werden. Hierbei werden kurze DNA-Fragmente aus der DNA herausgeschnitten und die entstandenen Lücken in der DNA wieder repariert. Es wird vermutet, dass diese Abfallprodukte aus der DNA-Reparatur durch Nukleasen im Zellkern abgebaut werden. Wie dies genau funktioniert, ist jedoch weitgehend ungeklärt.

TREX1 und DNA-Abfallprodukte

Dr. Lee-Kirsch und Dr. Wolf © UKDFrau Prof. Dr. med. Min Ae Lee-Kirsch (links) und Frau Dr. rer. medic. Christine Wolf © UKD

Kinder, denen aufgrund von Mutationen das Enzym TREX1 fehlt, entwickeln das Aicardi-Goutières Syndrom, das mit schweren entzündlichen Veränderungen des Gehirns und der Haut einhergeht und klinisch Ähnlichkeiten mit der Autoimmunkrankheit Lupus erythematosus aufweist. Für die Entzündungsprozesse wird Typ 1-Interferon verantwortlich gemacht, ein Botenstoff des angeborenen Immunsystems, der normalerweise durch eine Virusinfektion aktiviert wird.

Die Aktvierung von Typ 1-Interferon wird über Sensoren des angeborenen Immunsystems vermittelt, die virale DNA im Zytoplasma der Zelle erkennen. Diese Sensoren sind aber nur bedingt in der Lage, virale DNA von körpereigener DNA zu unterscheiden. Daher stellt die räumliche Trennung der im Zellkern befindlichen körpereigenen DNA sicher, dass diese nicht in Berührung mit den im Zytoplasma befindlichen DNA-Sensoren kommt. Auch TREX1 ist eine DNA-abbauende Nuklease, die sich außerhalb des Zellkernes, im umgebenen Zytoplasma befindet.

Das Team um Prof. Lee-Kirsch ging daher der Frage nach, ob TREX1 am Abbau der DNA-Abfallprodukte aus dem Zellkern beteiligt sein könnte. Die Dresdner Forscher konnten zunächst zeigen, dass kurze DNA-Abfallprodukte aus der DNA-Reparatur zwar prinzipiell über die Kernporen den Zellkern verlassen können, der Großteil dieser DNA-Fragmente jedoch durch die Bindung an die Kernproteine RPA und Rad51 im Zellkern zurückgehalten wird.

Weiterhin konnten sie nachweisen, dass TREX1 an der äußeren Membran des Zellkerns verankert ist und dafür sorgt, dass kurze DNA-Fragmente, denen es gelingt, den Zellkern zu verlassen, umgehend abgebaut werden. Somit stellt TREX1 sicher, das Zytoplasma von körpereigener DNA aus dem Zellkern frei zu halten.

Therapeutische Intervention mit Medikamenten

Bei Patienten mit einem TREX1-Mangel können die DNA-Abfallprodukte nicht mehr abgebaut werden und reichern sich in der Zelle an. Im Zytoplasma führt dies dazu, dass die nicht abgebauten DNA-Abfallprodukte von Sensoren des angeborenen Immunsystems fälschlicherweise als virale DNA erkannt werden, was eine Aktvierung von Typ 1-Interferon nach sich zieht. Im Zellkern führt die Anhäufung von DNA-Abfallprodukten außerdem dazu, dass diese vermehrt an RPA und RAD51 gebunden werden.

RPA und Rad51 spielen eine wichtige Rolle bei der Replikation und Reparatur von DNA. Aufgrund der vermehrten Bindung an die nicht abgebauten DNA-Abfallprodukte, stehen nicht mehr ausreichend freie RPA- und Rad51-Moleküle für die DNA-Replikation und Reparatur zur Verfügung, was in der Zelle Stress auslöst und chronische DNA-Schäden zur Folge hat. „TREX1 spielt daher zusammen mit RPA und Rad51 eine wichtige Rolle bei der Abfallentsorgung in der Zelle und schützt den Körper auf diese Weise vor einer inadäquaten Aktivierung des Immunsystems durch körpereigene DNA“, so Frau Dr. Wolf, die Erstautorin der Publikation.

Die Erkenntnisse der Dresdner Forscher eröffnen auch erste Ansatzpunkte für eine mögliche therapeutische Intervention mit Medikamenten, die der chronischen Typ 1-Interferon-Aktivierung entgegenwirken. Frau Prof. Lee-Kirsch leitet die durch die DFG geförderte Klinische Forschergruppe (KFO) 249 an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Die KFO 249 ist ein interdisziplinärer Forschungsverbund, der sich der Aufklärung von genetisch bedingten Erkrankungen des angeborenen Immunsystems widmet.

Neben Wissenschaftlern der Kinderklinik haben an den Untersuchungen auch Forscher der Klinik für Gynäkologie, des BIOTEC, des CRTD sowie der Universität Darmstadt und der Universität Düsseldorf mitgewirkt.

Quelle: Technische Universität Dresden (TUD)


Publikation: Lee-Kirsch M. et al.; RPA and Rad51 constitute a cell intrinsic mechanism to protect the cytosol from self DNA; Nature Communications, Datum; DOI: 10.1038/NCOMMS11752

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