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Wo sind die Mäuse hin?

Im Verlauf einer biomedizinischen Untersuchung kann es durchaus vorkommen, dass einzelne Versuchstiere ausfallen oder ausgeschlossen werden müssen. © JacobStudio / iStock / Thinkstock

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Grundlagenforschung: Wo sind die Mäuse hin?

In Grundlagenforschung und vorklinischen Studien verschwinden offenbar regelmäßig Versuchstiere aus den Statistiken, und mit ihnen verschwinden belastbare Aussagen, eine Gefahr für die Reproduzierbarkeit und Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Studien. Bei der Prüfung hunderter publizierter Versuche aus Krebs- und Schlaganfallforschung sind die Wissenschaftler der Charité - Universitätsmedizin Berlin auf mangelnde Transparenz und nachlässige Auswertung von Daten gestoßen. Es handelt sich dabei nicht um Einzelfälle.

Bei Versuchsanordnungen mit numerisch kleinen Stichproben kann der Verlust von Versuchstieren Forschungsergebnisse entscheidend beeinflussen. Die Auswirkungen von zufälliger oder bewusster Verkleinerung experimenteller Stichproben sind bisher kaum untersucht worden.

Prof. Dirnagl und sein Team haben daher zahlreiche, bereits veröffentlichte Studien geprüft, mit dem ernüchternden Fazit: Die überwiegende Mehrheit der Publikationen enthält keine ausreichenden Informationen darüber, wie viele Tiere aufgewendet wurden, um das Forschungsziel zu erreichen. In vielen Publikationen „verschwinden" zudem scheinbar Individuen, was massive Auswirkungen auf die Aussage der Studie haben kann.

Bewusste Selektion verfälscht Studienaussagen

„Wo also sind die Tiere hin? Wurden sie aus nachvollziehbaren Gründen ausgeschlossen? Sind sie vom Forscher bewusst aussortiert worden? Oder waren sie aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen zu krank, um ausgewertet zu werden?“, diese Fragen stellt Studienleiter Prof. Dirnagl. „In den überprüften Publikationen sind die Informationen meist so unklar, dass Antworten auf diese Fragen nicht gegeben werden können“, so der Wissenschaftler weiter.

Mithilfe eines ausgefeilten Computer-Programms hat das Charité-Team die Effekte simuliert, die ein solcher Verlust an Versuchstieren auslöst. Die Auswirkungen auf die Aussagekraft wissenschaftlicher Untersuchungen sind erheblich: Je mehr Tiere fehlen, umso schwächer die Resultate. Zufällige, unbeabsichtigte Verluste können Forschungsergebnisse leicht verändern.

Bewusste Selektion, beispielsweise von Tieren, die eine Forschungshypothese nicht bestätigen, verfälscht ganze Studienaussagen und führt zu falsch positiven Ergebnissen. Im Verlauf einer biomedizinischen Untersuchung kann es durchaus vorkommen, dass einzelne Versuchstiere ausfallen oder ausgeschlossen werden müssen.

Dieser Prozess ist normal, muss aber genau dokumentiert werden, wenn Ergebnisse Validität beanspruchen: „Es ist entscheidend, dass sich die Anzahl der Tiere und mögliche Verluste über den Studienzeitraum nachvollziehen lassen. Nur so wird man am Ende realistisch abschätzen können, ob eine Behandlung auch bei Menschen wirksam sein könnte“, konstatiert Erstautorin Constance Holman.

Die Berliner Wissenschaftler machen darauf aufmerksam, dass offenbar einer großen Anzahl bereits veröffentlichter Studien überbewertete, wenn nicht gar verfälschte Forschungsergebnisse zugrunde liegen. In der Regel sei die Ursache aber nicht auf Betrug zurückzuführen, sondern auf sogenannten „Bias", also den unbewussten Einfluss des Wunschdenkens der Forscher, die ihre Hypothesen bestätigt sehen wollen.

Mangelnde Transparenz erschwert die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen zusätzlich. Ist diese Auswertung von zahlreichen Veröffentlichungen aus der Krebs- und Schlaganfallforschung repräsentativ, dann verdankt möglicherweise eine nicht unerhebliche Anzahl biomedizinischer Studien ihre Aussage Tierverlusten oder dem Ausschluss einzelner Individuen.

„Im Sinne einer guten wissenschaftlichen Praxis und der Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Ergebnisse ist eine nachvollziehbare Dokumentation der Untersuchungen unverzichtbar“, so die Autoren.

QuelleCharité – Universitätsmedizin Berlin

Weitere Informationen

Publikation: Holman C et al.; Where Have All the Rodents Gone? The Effects of Attrition in Experimental Research on Cancer and Stroke; PLoS Biol 2016; doi:10.1371/journal.pbio.1002331

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