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Alternative zu Antibiotika

Bakteriophagen könnten zukünftig eine Alternative zu Antibiotika darstellen. © Design Cells / iStock / Getty Images Plus

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Bakteriophagen: Alternative zu Antibiotika

Antibiotika sind unverzichtbar in der Medizin, denn sie bekämpfen bakterielle Infektionen effektiv. Allerdings greifen Resistenzen immer mehr um sich, sodass die Wirkung einiger Substanzen eingeschränkt ist. Forscher gehen davon aus, dass Bakteriophagen eine Lösung sein könnten.

Um den Herausforderungen von Antibiotika-Resistenzen zu begegnen, ist die Entwicklung alternativer Therapien von großer Bedeutung. Hierfür werden im osteuropäischen Raum Bakteriophagen bereits seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt, in der Europäischen Union sind sie jedoch bislang nicht als Arzneimittel zugelassen.

Bei Bakteriophagen, kurz Phagen, handelt es sich um Viren, die sich in Bakterien einschleusen und diese schließlich abtöten. Sie bestehen aus einzel- und doppelsträngigen Nukleinsäuren mit einer Proteinhülle. Ihr großer Vorteil besteht darin, dass sie für den Menschen harmlos sind, da sie lediglich die Bakterien angreifen. Sie gelten demnach als hochspezialisiert und an den spezifischen Wirt gebunden.

Bakteriophagen wurden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Frederick Twort und Felix d´Hérelle entdeckt und auch zur Keimeliminierung genutzt. 1915 zeigte Twort, dass sich Staphylokokken-Kulturen durch die Einwirkung von Bakteriophagen zersetzen lassen. d´Hérelle verwendete 1919 Bakteriophagen, um in Paris Kinder mit Dysenterie zu behandeln. Die Wirkstoffe galten als effiziente Mittel zur Bekämpfung von bakteriellen Infektionen, gerieten allerdings mit der Entdeckung der Antibiotika in der westlichen Welt mehr und mehr in den Hintergrund. Im Gespräch sind sie wieder, seit es die Problematik der multiresistenten Keime gibt.

Auch laut PD Dr. Wolfgang Beyer sollen sich bakterielle Infekte mithilfe geprüfter Bakteriophagen effektiv bekämpfen lassen. Anlässlich des 1. Deutschen Bakteriophagen-Symposiums an der Universität Hohenheim erklärte er ihr Wirkprinzip: Phagen docken an Bakterien an und schleusen ihre DNA in das Innere, sodass die Wirte gezwungen sind, Kopien der Bakteriophagen herzustellen. Schließlich platzen die Bakterien, die darin enthaltenen Viren schwärmen aus und infizieren weitere Bakterien. Der Kreislauf beginnt somit von vorne und endet möglichst dann, wenn keine Bakterien mehr übrig sind. Für jedes krankmachende Bakterium soll es einen entsprechenden Phagus geben, daher müsse man die richtigen Gegenspieler finden, um Infektionen behandeln zu können.

Risiken der Bakteriophagen

Ganz ohne medizinische Bedenken ist der Einsatz von Phagen allerdings nicht: Bestimmte Varianten veranlassen die Keime nicht sofort zur Phagenproduktion, sondern integrieren sich in die Erbinformation der Bakterien. Werden sie danach wieder aktiv, tragen sie gefährliche Teile des Bakterien-Genoms mit sich und können dieses auf weitere Keime übertragen – vermutlich sei das Darmbakterium EHEC auf diese Weise entstanden. Deshalb würde man solche Phagen, die in der Lage sind, ihr Genom mit dem Bakteriengenom zu kombinieren, von Vornherein erst gar nicht nutzen. Trotz der Risiken könnte die Phagentherapie eine sinnvolle Alternative zur Antibiotika-Behandlung darstellen, denn Wissenschaftler erkennen entsprechende Sorten und schließen diese von dem Einsatz als Therapeutika aus.

Aktuelle Forschung

Im Leibniz-Institut in Braunschweig existiert Deutschlands größte Phagensammlung mit 673 Exemplaren, die dort zu Forschungszwecken gelagert werden. Seit 2017 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung in Deutschland ein erstes großes Forschungsprojekt zum Thema Bakteriophagen. Der Zweck besteht darin, die Wirksamkeit der Phagen gegen Infektionen wie schwere Lungenerkrankungen zu untersuchen. Danach sollen die potenziellen Medikamente in klinischen Studien getestet werden.

Martina Görz


Quellen:

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