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Innovative Zelltherapien in der regenerativen Medizin

MTA – Das Portal sprach mit einem Experten über diese innovativen Ansätze in der Zelltherapie. © GetUpStudio / iStock /Thinkstock

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Interview: Innovative Zelltherapien in der regenerativen Medizin

Prof. Dr. Frank Emmrich, Institutsleiter am Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), referierte kürzlich auf der XPOMET Convention in Leipzig über sein Forschungsfeld im Bereich der Zelltherapien. Dieses Gebiet teilt sich in Stammzell- und somatische Zelltherapien auf. Jüngste Erfolge wurden mit autologen Zelltherapie-Ansätzen erzielt, bei denen das Immunsystem moduliert und aktiviert wird. MTA – Das Portal sprach mit dem Experten über diese innovativen Ansätze.

Professor © Foto Fraunhofer IZIProf. Dr. Frank Emmrich, Institutsleiter am Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) © Foto Fraunhofer IZI

Herr Emmrich, welche Erkrankungen lassen sich prinzipiell mit Zelltherapie behandeln?

Prof. Dr. Frank Emmrich: Ehe diese Frage beantwortet werden kann, muss zunächst das Thema Zelltherapie sortiert werden. Wir unterscheiden zwischen Stammzelltherapie und somatischer Zelltherapie. Bei der Stammzelltherapie geht es darum, aus sehr frühen Vorläuferzellen Gewebe und in Zukunft vielleicht ganze Organe züchten zu können. Bei der somatischen Zelltherapie handelt es sich um ausgereifte ‚fertige‘ Zellen. Dabei unterscheidet man zwischen allogener – das bedeutet von einem nichtverwandten Spender stammend – und autologer, gleich körpereigener, Zelltherapie. Die letztgenannte Therapie bietet den Vorteil, dass keine immunologischen Abstoßungsreaktionen zu befürchten sind.

Sie fordert allerdings eine individualisierte personenbezogene Behandlung, die aufwändig und teuer ist. Die jüngsten spektakulären Erfolge in der Zelltherapie wurden hauptsächlich mit autologen Therapieansätzen erzielt, bei denen das Immunsystem moduliert und aktiviert wird. Drei Varianten möchte ich besonders hervorheben: Dies sind zum einen die personenbezogene Herstellung und Vermehrung von menschlichen T-Zell-Klonen mit Spezifität für bestimmte Viren, die bei alten und immungeschwächten Patienten zu lebensbedrohlichen Krankheiten führen können. Ein zweites Beispiel sind die ‚dendritischen Zellvakzine‘.

Hierbei werden aus bestimmten Blutzellen, den Monozyten, in einer Zellkultur hochaktive dendritische Zellen gezüchtet, die gemeinsam mit Tumorantigenen verabreicht werden, und besonders gut in der Lage sind, die Lymphozyten von Tumorpatienten zur Krebsbekämpfung zu aktivieren. Am erfolgreichsten waren jedoch in jüngster Zeit die Zelltherapien, bei denen in einer Kombination von Gen- und Zelltherapie körpereigene T-Zellen mit neuartigen Rezeptoren ausgestattet werden. Diese chimären Antigenrezeptoren, abgekürzt CAR, befähigen körpereigene T-Zellen, die Tumorzellen gezielt zu erkennen. Durch besondere – ebenfalls eingefügte – Aktivierungssignale werden die T-Zellen angeregt, die Tumorzellen effektiv zu vernichten.

Wie hoch sind hier die Heilungschancen?

Emmrich: Verschiedene Varianten der CAR-T-Zelltherapie waren in ersten klinischen Studien außerordentlich erfolgreich bei der Behandlung bestimmter Leukämieformen. Besonders hervorgetan hat sich hier die Pennsylvania-State-University in den USA mit einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Professor Carl June. Patienten, denen mit herkömmlichen Therapien nicht mehr geholfen werden konnte, wurden zu mehr als 70 Prozent geheilt. Ob dies langandauernde Erfolge verspricht, können erst Langzeitbeobachtungen zeigen. Da die übertragenen Zellen allerdings am Leben bleiben und sich sogar vermehren können, besteht diese Hoffnung.

Gibt es dazu bereits Studien?

Emmrich: Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Studien, von frühen Phase I/II-Studien bis zu Zulassungsstudien, allerdings mit zunächst geringen Fallzahlen und begrenzter Beobachtungszeit.

Wo steht die Methode bei der Translation?

Emmrich: In den USA haben verschiedene Unternehmen aufgrund der Anfangserfolge erhebliche Finanzmittel erhalten, um ihre Konzepte weiterzuentwickeln. In den USA hat die Food and Drug Administration, FDA, mittlerweile auch zwei Firmen die Marktzulassung für ihre Produkte erteilt. Darunter befindet sich einer der weltgrößten Pharmakonzerne, Novartis. Zurzeit wird weltweit fieberhaft daran gearbeitet, die Herstellungskapazitäten für die sehr aufwendigen manuellen Verfahren auszubauen und bereitzustellen.

Professor © Foto Fraunhofer IZIProf. Dr. Frank Emmrich, Institutsleiter am Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) © Foto Fraunhofer IZI

Welche Hindernisse gibt es für die Umsetzung?

Emmrich: Die Herstellungsverfahren für die Zelltherapieprodukte sind vergleichbar mit der klassischen Produktion von Medikamenten. Hier besteht erheblicher Optimierungsbedarf, da die zugelassenen Verfahren mit 370 000 bis 475 000 US-Dollar pro Behandlung auf Dauer für eine breite Anwendung viel zu teuer wären.

Mit Sicherheit stehen wir erst am Anfang einer langen Entwicklung zur Optimierung dieser Verfahren. Das betrifft sowohl die Auffindung und Charakterisierung der besten molekularen Tumortargets, als auch die anzustrebende Steuerbarkeit der CAR-T-Zellen und die Reduktion von Nebenwirkungen, wie beispielsweise verschiedenartige Zytokinschocks. Die bisherigen Erfahrungen beschränken sich auf die Behandlung von Krebserkrankungen, bei denen die Zielzellen wesentlich einzeln im Körper verteilt sind.

Bei der Behandlung größerer zusammenhängender Tumormassen muss gewährleistet sein, dass die hilfreichen T-Zellen auch in diesen Tumor hineingelangen. Hier ist noch erhebliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit erforderlich. Schließlich müssen die Kliniker mit diesen neuen Behandlungsverfahren und ihren besonderen Herausforderungen und Nebenwirkungen noch viel Erfahrung sammeln.

Welche nächsten Entwicklungen stehen an?

Emmrich: Viele Entwicklungen finden derzeit parallel statt. Hierzu gehört die bereits erwähnte Suche nach neuen spezifischeren Tumortargetstrukturen für die CAR-T-Zellen, unter anderem mit dem Ziel, schädliche Nebenwirkungen auf gesunde Zellen zu vermindern. Leider zeigte sich auch schon, dass Tumorzellen sich in Einzelfällen auch auf neue Situationen einstellen, indem sie ihre Merkmale mutieren und damit für die CAR-T-Zellen unsichtbar werden.

In diesem Fall müssen neue Zielstrukturen identifiziert und entsprechende Zellen hergestellt werden. Auch die Übertragung der Rezeptorgene in die körpereigenen T-Zellen ist ein vielgliedriger Forschungsgegenstand. In diesem Bereich werden beispielsweise verschiedene Vektorsysteme erprobt und verglichen.

Bereits begonnen hat auch die Kombination der CAR-T-Zelltherapie mit anderen neuartigen Immuntherapien, wie mit den Checkpointinhibitoren. Wenn sich die spektakulären Anfangserfolge bestätigen und auch auf andere Tumorerkrankungen erweitern lassen, so ist davon auszugehen, dass durch vereinfachte und automatisierte Herstellungsverfahren beträchtliche Kostensenkungen erzielt werden können.

Von Mirjam Bauer

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