Branche
on
Leben in der eigenen Welt

Autistische Kinder zeigen wenig Interesse am gemeinsamen Spiel und wirken auf Ansprache wie taub. © KatarzynaBialasiewicz / iStock / Getty Images Plus

| | | | | |

Spektrum: Leben in der eigenen Welt

Autisten sind vielen ein Rätsel: Anstatt sich für soziale Interaktionen zu interessieren, sind Betroffene eher auf Faktenwissen und dessen Details fokussiert. Derzeit wird ein neues Medikament gegen die Störung in Studien untersucht.

Das Weltall ist seine große Leidenschaft: Schon im Alter von sieben Jahren kennt Konstantin verschiedene Theorien über das Universum und ist vom Leben des Astrophysikers Stephen Hawking fasziniert. Spricht man ihn an, während er in seine Bücher vertieft ist, reagiert er nicht – geschweige denn, dass er Blickkontakt aufnimmt. Konstantin leidet unter einer Autismus-Spektrum-Störung.

Bei diesen tiefgreifenden Entwicklungsstörungen differenziert man zwischen frühkindlichem Autismus, atypischen Autismus und dem Asperger-Syndrom. Gemeinsam sind allen Varianten Auffälligkeiten im Bereich der Kommunikation, der sozialen Interaktion sowie im Bereich des Verhaltens. Autisten erkennen häufig Gefühle (wie Freude, Trauer, Angst oder Ekel) im mimischen Ausdruck ihrer Mitmenschen nicht und können sich daher nur schlecht sie hineinversetzen.

Medizinische Klassifikation

Autismus entspricht laut ICD-10 (International Statistical Classification of Deseases and Related Health Problems), den Diagnosekriterien der WHO (Weltgesundheitsorganisation), einer medizinischen Diagnose, die unter F84 gelistet ist. Im Klassifikationssystem DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) der American Psychiatric Association (APA) sind die verschiedenen Formen unter dem Begriff Autismus-Spektrum-Störung (ASS) zusammengefasst.

Verschiedene Schweregrade

Beim frühkindlichen Autismus kommt es bereits vor dem dritten Lebensjahr zu Abweichungen, die vor allem den sozialen Umgang, die Kommunikation sowie stereotype Verhaltensweisen betreffen. Den Kindern mangelt es an sozialen, kognitiven, verbalen und motorischen Kompetenzen – meist sprechen sie gar nicht oder nur sehr eingeschränkt.

Sie meiden Blick- und Körperkontakt, weisen Sprachauffälligkeiten auf, zeigen wenig Interesse am gemeinsamen Spiel und wirken auf Ansprache wie taub. Der Atypische Autismus setzt hingegen später ein und geht nicht immer mit dem Vollbild der Symptomatik einher. Die Einschränkungen beim Asperger-Syndrom sind hingegen deutlich geringer.

Verzögerungen in der Sprach- oder kognitiven Entwicklung sind bei Betroffenen nicht vorhanden, allerdings verhalten sie sich in sozialen Situationen oft unangemessen und wirken daher auf Außenstehende plump. Wie Menschen mit frühkindlichen Autismus fallen Asperger-Patienten auch durch stereotype Verhaltensweisen oder eingeschränkte Aktivitäten auf, allerdings wünschen sie sich die Beziehungen zu den Mitmenschen durchaus.

Die Interessen Betroffener sind in der Regel eng, aber übermäßig intensiv. Sie beschäftigen sich gerne mit ihren Lieblingsthemen, haben nicht selten besondere Begabungen und weisen im Alltag wenig Gefahrenbewusstsein auf.

Gegenwärtige Behandlung

Autisten wie Konstantin werden stets mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen (in Kombination mit der Psychoedukation von Angehörigen) behandelt. Atypische Antipsychotika kommen mitunter zum Einsatz, da sie stereotype Verhaltensweisen sowie zusätzliche Verhaltensauffälligkeiten wie Selbst- und Fremdaggressionen verbessern. Bei komorbiden Erkrankungen wie Depressionen eignen sich beispielsweise selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) zur Linderung der Symptome.

Hoffnung auf eine medikamentöse Therapie

Im Januar diesen Jahres kursierte die Meldung, dass es erstmals ein orales Medikament zur Verbesserung von Autismus-Störungen gibt: Der Pharmakonzern Roche erhielt von der US-Gesundheitsbehörde FDA den Breakthrough-Status für das Arzneimittel Balovaptan (https://www.roche.com/investors/updates/inv-update-2018-01-29.htm), welches zu den sogenannten Vasopressin 1a (V1a)-Rezeptorantagonisten zählt. Die Wirkung des Medikaments wird derzeit in weiteren Studien untersucht.

Martina Görz


Quellen:

Newsletter abonnieren

Newsletter Icon MTA Blau 250x250px

Erhalten Sie die wichtigsten MT-News und Top-Jobs bequem und kostenlos per E-Mail.

Mehr zum Thema

Leber
Neuronen

Das könnte Sie auch interessieren

Blutsaugende Mücke
Außenansicht Deutsches Röntgenmuseum in Remscheid-Lennep
Insektenschutzmittel wird auf die Haut gesprüht