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Endocannabinoide selektiv aktivieren

Das Endocannabinoid-System gilt als vielversprechend, um neue Therapiemöglichkeiten zu entwickeln, etwa bei Erkrankungen des Nervensystems. © iLexx / iStock / Thinkstock

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Gegen Angstzustände & Co.: Endocannabinoide selektiv aktivieren

Körpereigene Cannabinoide (Endocannabinoide) spielen eine wichtige Rolle im Gehirn und Immunsystem. Berner Forschende des Nationalen Forschungsschwerpunktes (NFS) „TransCure" haben nun einen neuen Weg gefunden, um das Endocannabinoid-System zu beeinflussen. Im Tiermodell konnten entzündungshemmende, schmerzstillende wie auch angstlösende Effekte erzielt werden.

Endocannabinoide sind fettsäureähnliche Substanzen, die vom Körper produziert werden. Sie aktivieren spezifische Cannabinoid-Rezeptoren und können unter anderem entzündungshemmend oder schmerzstillend wirken.

Ähnliche therapeutische Effekte zeigen Cannabis oder Tetrahydrocannabinol (THC) in der klinischen Anwendung, sie sind jedoch mit Nebenwirkungen behaftet. Die körpereigenen Cannabinoide hingegen werden dann in den Zellen produziert, wenn der Körper sie braucht, und können somit nicht überdosiert werden.

Transport blockiert

Das Endocannabinoid-System gilt als vielversprechend, um neue Therapiemöglichkeiten zu entwickeln, etwa bei Erkrankungen des Nervensystems. Seit Jahren untersucht das Forschungsteam um Jürg Gertsch vom Institut für Biochemie und Molekulare Medizin der Universität Bern im Rahmen des vom SNF finanzierten Forschungsschwerpunktes „TransCure" die Möglichkeit, Endocannabinoide im Gehirn selektiv zu aktivieren, um neuropsychiatrische Erkrankungen, zum Beispiel Angstzustände, zu behandeln.

In Zusammenarbeit mit einem internationalen Forschungsteam ist es der Berner Forschungsgruppe um Gertsch nun gelungen, erstmals im Gehirn von Mäusen mittels neuartiger Inhibitoren (Hemmstoffe) den Transportweg von Endocannabinoiden zu blockieren. Dies führte zu positiven Effekten auf das Stressverhalten und Immunsystem der Mäuse. Sowohl entzündungshemmende, schmerzstillende wie auch angstlösende Effekte wurden beobachtet.

Obwohl seit Jahren vermutet wurde, dass es in Nervenzellen und Immunzellen ein Endocannabinoid-Transportsystem gibt, konnte dies nun erstmals wissenschaftlich nachgewiesen werden. „Ich bin überzeugt, dass neben der Verabreichung von körperfremdem Cannabinoiden künftig für therapeutische Zwecke auch das Endocannabinoid-System gezielt aktiviert werden kann", sagt Gertsch.

Neue Perspektive für Arzneimittelforschung

In Zusammenarbeit mit Chemikern der ETH Zürich und der Industrie wurden hunderte von Endocannabinoid-Transportinhibitoren künstlich hergestellt, um ideale pharmakologische Eigenschaften zu entwickeln. Die Forschenden ließen sich für diese Inhibitoren durch einen Naturstoff aus dem Sonnenhut (Echinacea purpurea) inspirieren, einer Medizinalpflanze die häufig bei Erkältungen angewendet wird und teilweise über das Endocannabinoid-System wirkt.

Die neu entwickelten Inhibitoren blockieren die Aufnahme der Endocannabinoide durch die Membran von Zellen. Dadurch werden Cannabinoid-Rezeptoren auf Nerven- und Immunzellen aktiviert, was bei Stress- und Entzündungserkrankungen zu einer „Bremse" im Gehirn und im Immunsystem führt und das physiologische Gleichgewicht wiederherstellt. Andrea Chicca, Erstautor der Studie aus der Gruppe von Prof. Gertsch, ist zuversichtlich, dass in den kommenden Jahren der molekulare Mechanismus des Endocannabinoid-Transporters entschlüsselt werden kann: „Der Entwicklung neuer Medikamente steht dann nichts mehr im Weg."

Dank der neuen Erkenntnisse aus der Studie können bereits jetzt Stoffe entwickelt werden, die sich von bisherigen Arzneimitteln unterscheiden und gezielt die körpereigenen Cannabinoide im Gehirn aktivieren. Ein großes Potenzial sehen die Forschenden im Bereich von stressbedingten Erkrankungen, weil Endocannabinoide wichtige Stresshormone regulieren und das Gleichgewicht im Gehirn wiederherstellen.

Quelle: Universität Bern


Publikation: Andrea Chicca et al.; Chemical probes to potently and selectively inhibit endocannabinoid cellular reuptake; PNAS, 2017; DOI: 10.1073/pnas.1704065114

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