Immer wieder ist von einer Zunahme resistenter oder sogar multiresistenter Bakterien zu lesen. Dies führt dazu, dass auch sogenannte Reserveantibiotika, die zum Einsatz kommen, wenn andere Antibiotika nicht mehr greifen, ihre Wirksamkeit verlieren. Parallel dazu wurde vor allem Ende letzten Jahres von einem Engpass bei der Lieferung von Antibiotika berichtet.
Da stellt sich die Frage, wie dem zu begegnen ist. Seit 2017 gibt es den Ansatz, Bakteriophagen als Arzneimittel gegen bakterielle Erkrankungen einzusetzen. Im letzten Jahr standen Phagen-Therapien kurz vor dem Einsatz am Patienten. Doch was sind Bakteriophagen eigentlich?
Kurze Einführung zu Bakteriophagen
Bei Bakteriophagen oder auch „Bakterienessern“ handelt es sich um Viren, die sich auf den Befall von Bakterien spezialisiert haben. Bakteriophagen sind unter den Viren die komplexesten Vertreter. Im Kopf, einem 20-flächigen Capsid, befindet sich die virale, doppelsträngige DNA. Bei dem Capsid handelt es sich um eine Proteinhülle.
Am Kopf befindet sich ein Proteinschwanz mit Schwanzfibern, mit denen sich die Phagen an den Bakterien anheften. Das Schwanzsegment kann sehr vielgestaltig in Form und Größe sein. Bakteriophagen sind wie andere Viren intrazelluläre Parasiten, sie können sich nur in ihren Wirtszellen, den Bakterien, vermehren. Ein isolierter Bakteriophage ist nicht in der Lage, sich selbst zu replizieren oder Biosynthese durchzuführen.
In den Viren befinden sich keine Stoffwechselenzyme, keine Ribosomen oder andere Bestandteile der Proteinsynthese. Sie sind also reine proteinumhüllte Genome, welche von einem Bakterium zum nächsten weitergegeben werden. Hinzu kommt, dass die Phagen hoch spezialisiert auf ihre Wirtsbakterien sind. Häufig befallen sie nur eine Bakterienart oder sogar nur einen Stamm einer Bakterienart.
Vermehrung von Bakteriophagen
Die Viren heften sich mit den Schwanzfibern an die Bakterien an und infizieren die Zelle mit ihrer DNA. Sie bringen sie dazu, weitere Bakteriophagen zu produzieren. Anschließend gibt es zwei Prozesse, mit denen sich Phagen vermehren können – durch lytische oder lysogene Zyklen. Ein lytischer Zyklus endet mit dem Tod des Wirtsbakteriums.
Am Ende des Zyklus, nachdem sich der Phage um ein Vielfaches vermehrt hat, platzt die Bakterienzelle und lässt die Phagen frei. Diese können dann wiederum gesunde Bakterienzellen befallen. Diese Phagen werden als virulente Viren bezeichnet. Im lysogenen Zyklus steht am Ende nicht der Tod der Bakterienzelle. Es entstehen zwar virale Genome in der Bakterienzelle, aber diese werden durch die Phagen nicht zerstört. Die Phagen, die dazu in der Lage sind, bezeichnet man als temperente Viren.
Das Phagengenom wird hierbei in das Bakteriengenom eingebaut und mit jeder Zellteilung des Bakteriums wird dieses mit weitergegeben. Eine einzige infizierte Zelle kann somit in kurzer Zeit zu einer Bakterienpopulation führen, welche alle den Virus als Prophagen in sich tragen. Je nach Umwelteinflüssen kann es dazu kommen, dass der Prophage aktiviert wird und die Bakterienzelle zerstört.
Damit werden die Bakterienphagen in die Umgebung freigelassen. Zudem können die Gene von Bakteriophagen das Wirtsbakterium verändern. So sind es die viralen Gene, die Erreger von Diphterie, Botulismus und Scharlach dazu befähigen, Toxine zu bilden. Dadurch können Phagen mit ihrem Erbgut für den Menschen gefährlich werden.
Denkbarer Einsatz von Phagen
Der Einsatz von Bakteriophagen kann sehr vielfältig sein. Neben dem Einsatz in der Therapie von Menschen bei bakteriellen Erkrankungen ist ebenfalls ein Einsatz innerhalb der Lebensmittelkette gegen Erreger möglich. Auch der Einsatz bei Tieren und auf dem Acker, also vor der Lebensmittelherstellung ist vorstellbar. Jedoch sind dies nur denkbare Einsätze. In Deutschland und in der EU gibt es aktuell keine zugelassenen Phagen-Präparate.
Heike Lachnit
Quellen:
- Neil A. Campell, Jane B. Reece, Hrsg. Jürgen Markl, Biologie, 6. Auflage, Spektrum-Verlag
- Wie schlimm ist der Antibiotika-Engpass wirklich?; DAZ.online
- OECD Analyse: Immer mehr multiresistente Keime; deutschlandfunk.de
- Fragen und Antworten zu Bakteriophagen; bfr.bund.de