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Gefahr nach Organtransplantationen

Professor Dr. Eike Steinmann, Professor Dr. Heiner Wedemeyer und Daniel Todt. © MHH / Kaiser

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Hepatitis E: Gefahr nach Organtransplantationen

Nach Schätzungen des Robert Koch-Institutes infizieren sich in Deutschland jährlich 300.000 Menschen mit dem Virus – und etwa 20 Millionen weltweit. Mit einem gesunden Immunsystem können es die Viren nicht aufnehmen, aber sobald unsere Abwehr geschwächt ist, werden Infizierte ernstlich krank.

Hepatitis E-Virus-Infektionen gelten unter Medizinern als unterschätzte Krankheit – vermutlich, weil sie in den meisten Fällen so mild verlaufen, dass die Infizierten kaum etwas von der Infektion spüren. Ein großes Problem sind Hepatitis E-Virus (HEV)-Infektionen bei Menschen, denen ein fremdes Organ transplantiert wurde.

In den vergangenen sechs Jahren kam es allein an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bei mehr als 20 Patienten mit chronischer HEV-Infektion zu sehr ernsten, teilweise tödlichen Komplikationen durch das Virus nach einer Transplantation, obwohl mit Ribavirin eigentlich ein vermeintlich gutes Medikament gegen das Virus zur Verfügung steht. Wissenschaftler des TWINCORE und der MHH haben nun gemeinsam nach einem Ausweg gesucht.

Sie haben erforscht, weshalb der Wirkstoff bei diesen Patienten versagt hat und verschiedene Mutationen gefunden, die für die Virusvermehrung wichtig sind. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Erkenntnisse in der britischen wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Gut“.

„Die derzeit einzige Therapie gegen das Hepatitis E Virus ist eine Behandlung mit Ribavirin, einem Wirkstoff, der das RNA-Virus daran hindert, sich weiter zu vermehren“, sagt Professor Dr. Heiner Wedemeyer, leitender Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der MHH.

Warum versagt Ribavirin?

„In der klinischen Praxis beobachten wir in einigen Fällen, dass sich das Virus zunächst gut bekämpfen, aber nicht vollständig zurückdrängen lässt. Nach einiger Zeit steigt die Zahl der Viren unter der Ribavirin Behandlung aber wieder an und letztlich können unsere Patienten an der Infektion sterben.“

Eine Hypothese zu dem Verlauf ist naheliegend: Unter dem Druck der Behandlung wird das Virus resistent gegen den Wirkstoff – es entwickelt dort eine Mutation, wo das Ribavirin angreift. Den Hepatitis-Spezialisten der MHH und des TWINCORE reichte jedoch die Hypothese nicht. „Zunächst einmal ist bekannt, dass eine Mutation in der Polymerase – also genau dem Enzym, dass die Vermehrung des Virus steuert – zum Versagen der Ribavirin-Therapie führt“, sagt Daniel Todt, Doktorand in der Arbeitsgruppe Virustransmission am Institut für Experimentelle Virologie des TWINCORE.

„Die erste Frage war, ob bei den Patienten der MHH ebenfalls dieser Grund für das Versagen des Ribavirins vorliegt.“ Weitere Fragen schließen sich an: Liegt das Versagen dann nur an dieser einen Mutation? Löst sie tatsächlich eine Resistenz aus? Um dies zu beantworten, haben die Virologen am TWINCORE gemeinsam mit Professor Dr. Claus-Thomas Bock vom Robert-Koch-Institut in Berlin Proben von MHH Patienten über eine Tiefensequenzierung analysiert.

„Auf diesem Weg haben wir nicht nur eine bereits bekannte, sondern auch diverse andere Mutationen gefunden und damit eine mutagene Wirkung von Ribavirin auf das virale Genom nachgewiesen“, erklärt Professor Eike Steinmann, Leiter der Arbeitsgruppe Virustransmission. „Besonders spannend daran ist, dass die Mutationsrate überall im Virusgenom ansteigt, verursacht ausgerechnet von Ribavirin – dem Medikament, das eigentlich das Virus auslöschen soll.“

Erstaunliches Ergebnis

Die vermeintlichen Hepatitis E Resistenz-Mutationen haben die Forscher anschließend in Zellkultur erzeugt und die Reaktion des mutierten Virus auf Ribavirin getestet. Das erstaunliche Ergebnis: Die Mutationen rufen gar keine Resistenz hervor, eine wirkt stattdessen wie ein Turboschalter auf die Vervielfältigungsmaschinerie des Virus. Die mutierte Virus-Polymerase arbeitet doppelt so schnell, wie die normale, damit explodiert die Replikationsrate des Virus förmlich.

Ribavirin wirkt weiterhin, kommt jedoch gegen die Masse der neuen Viren einfach nicht mehr an. Also einfach mehr Ribavirin für den Patienten, wenn die Virenzahl unter der Behandlung ansteigt? Das funktioniere leider nicht, sagt Professor Dr. Michael Manns, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der MHH, da irgendwann die Nebenwirkungen zu stark werden.

„Die Ergebnisse legen aber nahe, dass wir zukünftig Patienten mit ansteigender Viruszahl auf diese Virus-Mutationen testen und dann gegebenenfalls das Ribavirin absetzen, um die Vermehrung des Virus nicht noch weiter zu beschleunigen.“

Professor Steinmann ergänzt das weitere Vorgehen am TWINCORE: „Parallel untersuchen wir die Auswirkungen der anderen Mutationen, die wir in den Patienten gefunden haben und wir durchsuchen gemeinsam mit Kollegen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Substanzbibliotheken nach alternativen antiviralen Wirkstoffen gegen Hepatitis E.“

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover (MHH)


Originalpublikation: Wedemeyer H. et al.; In vivo evidence for ribavirin-induced mutagenesis of the hepatitis E virus genome; Gut, 2016; doi: 10.1136/gutjnl-2015-311000

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