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Epigenetisches Merkmal warnt vor Strahlenfibrose

Bei etwa zwei Dritteln aller Krebskranken gehört die Strahlentherapie zum Behandlungsschema. Die Strahlenfibrose kann als Spätfolge auch Jahre später auftreten. © Jovanmandic / iStock / Thinkstock

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Spätfolgen von Strahlentherapie: Epigenetisches Merkmal warnt vor Strahlenfibrose

Die Strahlenfibrose ist eine häufige Spätfolge von Strahlentherapien. Bei Brustkrebspatientinnen identifizierten Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) ein epigenetisches Muster, das je nach Ausprägung auf ein gesteigertes Fibroserisiko hinweist.

Das epigenetische Merkmal könnte in Zukunft bereits vor dem Start einer Strahlentherapie als Biomarker vor hoher Fibrose-Sensitivität warnen. Es bewirkt, dass Hautzellen die Produktion eines Enzyms ankurbeln, das die Entstehung der Fibrose einleitet. Gezielte Wirkstoffe könnten diesen Prozess unterbrechen.

Bei etwa zwei Dritteln aller Krebskranken gehört die Strahlentherapie zum Behandlungsschema, insbesondere seit Ärzte die Strahlen immer präziser auf die Tumoren lenken können. Meist vertragen die Patienten die Therapie gut, doch kann es auch zu Nebenwirkungen kommen. Besonders belastend ist die so genannte Strahlenfibrose, die die Lebensqualität der Patienten oft stark beeinträchtigt.

Zu Strahlenfibrosen kommt es beispielsweise nach Bestrahlung von Tumoren der Harnblase oder der Lunge. Bei Brustkrebs sind bis zu fünf Prozent der Patientinnen betroffen. Wüssten Ärzte bereits bei der Diagnosestellung, welche Patientinnen ein besonders hohes Fibrose-Risiko haben, könnte die Strahlendosis reduziert oder auf andere Therapien ausgewichen werden.

Spätfolge taucht oft erst nach Jahren auf

Bei einer Fibrose handelt es sich um narbige Umbildungen, bei denen das gesunde Gewebe durch weniger elastisches Bindegewebe ersetzt wird und dadurch verhärtet und in seiner Funktion eingeschränkt ist. Eine Strahlenfibrose tritt oft erst mehrere Monate bis Jahre nach der Therapie als Spätfolge auf.

Im Gegensatz zu vorübergehenden Nebenwirkungen wie Müdigkeit (Fatigue) oder Durchfällen bildet sich die Fibrose nicht wieder zurück. Bis jetzt konnten die wenigen genetischen Marker, die mit einer besonderen Anfälligkeit für die Fibrose in Verbindung stehen, die Häufigkeit der Erkrankung nicht befriedigend erklären.

Die Wissenschaftler gingen nun Hinweisen nach, dass bestimmte epigenetische Merkmale solche zellulären Signalwege deregulieren könnten, die für die Entstehung der Fibrose ausschlaggebend sind. Dabei interessierte sie besonders, ob bereits vor Beginn der Strahlentherapie epigenetische Abweichungen identifiziert werden können, die auf ein hohes Fibrose-Risiko hindeuten.

Dazu isolierten Forscher der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der UMM Bindegewebszellen aus Hautbiopsien von 75 Brustkrebspatientinnen, die vor der Bestrahlung entnommen worden waren. Am Erbgut der Zellen wurde dann genomweit das Methylierungsmuster der DNA analysiert.

Enzym DGKA aktiviert Bindegewebszellen

Eine besonders deutliche Korrelation mit dem späteren Auftreten einer Strahlenfibrose fanden die Forscher für das genetische Verstärkerelement des Enzyms DGKA (Diacyl-Glycerol Kinase alpha). Patientinnen, deren DGKA-Verstärker ("enhancer") nur schwach mit Methylgruppen besetzt war, erwiesen sich als besonders Fibrose-sensibel. Ist dieser Genverstärker nur schwach methyliert, können dort bestimmte Transkriptionsfaktoren andocken.

Dadurch wird das DGKA-Gen öfter abgelesen, was letztendlich zu einer Aktivierung der Bindegewebszellen führt. Behandelten die Forscher Hautzellen in der Kulturschale mit einem Wirkstoff, der das Enzym DGKA spezifisch hemmt, so fiel die Aktivierung der Bindegewebszellen, die als kritischer erster Schritt der Fibrose gilt, schwächer aus.

Die Wissenschaftler freuen sich, dass sie nicht nur einen Marker für das Fibrose-Risiko entdeckt haben, sondern möglicherweise auch einen potenziellen Weg, der belastenden Nebenwirkung vorzubeugen: Mit DGKA-Inhibitoren ließen sich in früheren Studien bereits das Wachstum von Krebszellen hemmen und entzündliche Zustände erfolgreich bekämpfen, möglicherweise können sie auch eingesetzt werden, um Strahlenfibrosen zu verhindern.

Die Studie wurde mit biologischem Material durchgeführt, das mit dem Einverständnis der Patienten in die Biobank an der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) eingebracht wurde. „Ohne die Kooperation unserer Patienten wäre es nicht möglich, solche Erkenntnisse zu gewinnen, von denen noch zukünftige Generationen von Patienten profitieren", betont Professor Dr. Marlon Veldwijk von der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, der maßgeblich an der Studie mitgewirkt hat.

„So wie wir aktuell die Erkenntnisse aus früheren Studien nutzen, tragen unsere Patienten heute dazu bei, dass durch klinische Forschung weitere Fortschritte in der Patientenversorgung erzielt werden können."

Quelle: Universitätsmedizin Mannheim

Weitere Informationen

Publikation: Christoph Weigel et al.; Epigenetic regulation of diacylglycerol kinase alpha promotes radiation-induced fibrosis; Nature Communications, 2016;  DOI 10.1038/ncomms10893

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